"Liebe dich selbst" - das sagt sich so leicht, nicht wahr? Oberflächlich gesehen finden sich doch auch meist eine oder mehrere Eigenschaften, die uns von außen betrachtet liebenswert machen. Jeder von uns spielt in seinem Leben Rollen, in denen er glaubt liebenswert zu sein. Der nette Mensch, der immer für die anderen da ist, der erfolgreiche Top-Manager, der ehrgeizige Leistungssportler, die kompetente Chefin - all das sind Beispiele von Rollen, durch die wir bewusst oder unbewusst Anerkennung, Bestätigung und Liebe von außenbekommen. Aber wie sieht es in uns selbst aus?
Authentizität gewinnt
Meine eigene Rolle war lange Zeit die des netten Mädchens. Da man mich als fröhlichen Sonnenschein liebte, fühlte ich mich auch selbst in dieser Rolle wohl. Allerdings tat mich sehr schwer damit, wenn ich mich traurig, ängstlich und verletzlich fühlte. Ich kämpfte gegen meinen Schatten an, versuchte diese Gefühle gar nicht erst aufkommen zu lassen.
In den letzten Jahren entdeckte ich, dass wahre Selbstliebe dann entsteht, wenn ich immer authentischer Ja zu allen Facetten von mir sagen kann, besonders zu meinen bislang ungeliebten Anteilen. Da wir Menschen sind, gehört neben Sonnenschein auch Regen, Wind, Gewitter, Schnee und manchmal Eiszeit dazu.
Versuche Folgendes: Stell dich in hellen und auch in dunklen Momenten vor den Spiegel, schau dir selbst in die Augen und sage: „Ich fühle mich happy / wütend / traurig / freudig / ängstlich“ - oder wie auch immer du dich gerade fühlst. Atme tief ein, halte den Blick zu deinen Augen im Spiegel, und sage nun „Willkommen“ und deinen Namen. Spüre genau, was in dir dabei geschieht, und öffne dich deinen Gefühlen. Sei neugierig, was passiert, und sage immer wieder willkommen zu dir selbst.
Wenn dir das gelingt, kann sich dein Herz Schritt für Schritt öffnen für deine ureigene Selbstliebe, die schon immer in dir angelegt war. In meinen Augen gehen solche Übungen, in denen du nicht nur deine Sonnenseiten, sondern auch deinen Schatten bejahst, wesentlich tiefer und sind viel authentischer als sich nur positive Affirmationen aufzusagen.
Selbstliebe wieder entdecken
Sich selbst zu lieben und mit allen seinen Gefühlen und Bedürfnissen zu bejahen ist kein Tool, dass man mal eben an einem Wochenendworkshop lernt und dann perfekt beherrscht. Vielmehr ist es eine dauerhafte Aufgabe, in der es darum geht, einen ganz natürlichen Zustand wiederzuentdecken und immer mehr zu leben.
Kinder sind darin noch ganz authentisch - sie freuen sich an ihrem Leben, ihrem Körper, sind neugierig und rein. Außerdem folgen ihren Gefühlen und Impulsen noch mehr als wir Erwachsene. Der Zustand der Selbst-Unliebe entsteht zu einem großen Teil im Aufwachsen durch Konditionierungen, Ablehnung und mangelnde Liebe und Aufmerksamkeit von außen.
Darunter aber ist nach wie vor das natürliche JA zu uns selbst verborgen und wartet darauf, wieder entdeckt zu werden. Deswegen bedeutet Selbstliebe, bewusst und liebevoll all das wegzuräumen, was diesen natürlichen Zustand verschüttet hat.
Manchmal heißt es, man solle „lernen“, sich selbst zu lieben. Ich finde eher, man sollte es „wiederentdecken“ nennen. Denn tief in dir weiß etwas ganz genau, wie sich das anfühlt – Selbstliebe ist von Natur aus in jedem von uns angelegt!
Selbstliebe in der Praxis
- Damit du immer mehr in den natürlichen Zustand der Selbstliebe gelangen kannst, ist es hilfreich täglich zu üben. Schau bewusst und ungeschminkt in den Spiegel und sag freundlich Ja zu dir - mit allem, was gerade ist. Nimm dir dafür ein paar Minuten, atme tief und nimm bewusst deinen Körper und dein Empfinden in dem Moment wahr.
- Selbstliebe bedeutet, sich selbst zu spüren und gut für seine Bedürfnisse zu sorgen. Deshalb empfehle ich dir, jeden Abend in einem Tagebuch aufzuschreiben, was du an diesem Tag gefühlt hast und wie du gut für dich gesorgt hast. Durch diesen Fokus, dich selbst liebevoll zu behandeln, wirst du immer bewusster für dich selbst und deine Bedürfnisse werden.
- Erliege nicht der Versuchung, alles durch eine rosarote Brille sehen zu wollen. Erfreue dich an deinen Stärken, aber öffne dich auch deinem Schatten immer mehr, denn hier liegt in Wahrheit der Schlüssel zu echter Selbstliebe und Größe
- Achte besonders darauf, welche Menschen, Aktivitäten und Orte dir gut tun. Das Verweilen in unguten Umständen zeigt an, dass deine Selbstliebe und dein Selbstwert sich nach Stärkung und Aufwind sehnen.
- Finde etwas, was dich im Alltag an deinen Vorsatz nach größerer Selbstliebe erinnert - etwa eine Geste (z.B. deine Hand zwischendurch auf dein Herz zu legen) oder einen Talismann in der Hosentasche.
- Last but not least - sei gewiss: Der Weg der Selbstliebe ist für jeden Menschen eine Aufgabe. Auch Topmodels, Millionäre und vermeintlich selbstbewusste oder erleuchtete Vorbilder tragen manchmal Zweifel und Unsicherheiten in sich! Das ist total menschlich...
Wie sind deine Erfahrungen mit dem Thema Selbstliebe?
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Anna (Mittwoch, 19 August 2015 01:19)
Hallo! ... bin gerade so inspiriert! Vielen Dank! Ich finde es sehr unangenehm, mich meinen schlechten Gefühlen zu stellen. Und ich gucke nicht gerne genau hin, wenn es nicht rosarot ist. Aber ich merke gerade in den letzten Wochen und Monaten wie wichtig das genaue Hinfühlen ist. Vor einigen Wochen bin ich die letzte Etappe auf dem Jakobsweg in Spanien gewandert... und beim tagelangen Wandern kam vieles hoch... Ich war ziemlich genervt, aber wahrscheinlich habe ich mich dort endlich "den eigenen Schatten" geöffnet. Du schreibst so gut! Werde mir regelmäßig hier alles "durcharbeiten"... DANKE
Carla (Mittwoch, 19 August 2015 08:43)
Danke liebe Anna - für deine offenen Worte! Klar, wer stellt sich schon gern von Anfang an seinem Schatten? Das ist eine Entwicklung, und ich kann mir gut vorstellen, dass durch das Wandern auf dem Jakobsweg nicht nur der Körper, sondern auch die Gefühle in Bewegung kommen...